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Unsere Vernunft sehnt sich nach einer endgültigen Erklärung für die Existenz des Universums, nach Antworten auf die Frage, woher es kommt - und was demnach der Grund seines und auch unseres Daseins ist.

Es wird uns darum gehen zu erfahren, was Begriffe wie „Vor dem Beginn der Zeit“ und „Außerhalb des Raumes“ bedeuten könnten. Ob es etwa ausreicht, dort, wo weder Zeit noch Raum eines Universums gegenwärtig sind, das Nichts zu postulieren, oder ob die in unserem Weltall manifeste Energie das Vorhandensein übergeordneter Elemente voraussetzt, von denen sie sich ableitet. Ob die Urknalltheorie so betrachtet eine wissenschaftliche Notwendigkeit ist und die energetischen, dimensionalen Verläufe des Universums nicht vielmehr im Ganzen aus höherdimensionalen, „protouniversalen“ Strukturen gleichsam geronnen sein müssen.

Natürlich würde die Annahme eines höherdimensionalen Ursprungs unserer Welt die Problematik des Woher und Warum nur in eine übergeordnete Sphäre verlagern, und von dort, so steht zu erwarten, in die Nächste - und so fort. Kann es hier überhaupt ein Ende geben, und wenn ja, welches Bild hätten wir uns wohl davon zu machen? Solcherlei Unfassbarkeit trägt zweifelsohne dazu bei, daß naturwissenschaftliche Gedankenexperimente zu Entstehung und Aufbau des Weltalls für gewöhnlich bei Vorstellungen wie der von parallelen Universen enden, die in ein Nichts geworfen sind. Jedoch, wie kommt das Etwas in das Nichts?

Würde sich die exakte Wissenschaft von ihren bisherigen Denkweisen in einem gewissen Maße lösen und den Forschungshorizont für die Entwicklung einer komplexen Theorie der Weltentstehung entsprechend weiträumiger stecken, dann könnte, über die Erwägung höherdimensionaler Ursprünge unseres Daseins hinaus, auch eine Grunderscheinung Berücksichtigung finden, die zunächst offenbar keinerlei Bezug zum Thema hat: das Bewußtsein.

Es mag im Hinblick auf die in der Naturwissenschaft vorherrschende Einschätzung, daß Bewußtsein eine Folge neurobiologischer Prozesse sei, unangebracht und befremdlich erscheinen, das Phänomen in einen Zusammenhang mit elementaren physikalischen Fragestellungen zu rücken. Gleichwohl werden weder die Neurowissenschaften noch Experimente auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz einen grundsätzlichen Beitrag zur Enträtselung des Bewußtseins leisten können. Es sind vielmehr an die Physik knüpfende Sachverhalte und darauf basierende, weiterführende Überlegungen, die einen Hinweis auf die tatsächliche Natur des Bewußtseins zu geben vermögen und schließlich auch seine Bedeutung für das Entstehen unserer Welt fassbar werden lassen können.

Die moderne Physik erkennt in ihrem Bemühen um eine vollständige Theorie einstweilen jedoch nicht, daß sich die Tür, gegen die sie drückt, zur anderen Seite hin öffnet.




Wie also kommt es, daß es etwas gibt? Zu diesem Problem legt uns die Wissenschaft bisweilen nahe, daß der menschliche Geist eine Antwort wohl niemals finden werde und die Frage zum Verständnis des Bestehenden womöglich gar nicht beantwortet zu werden brauche. Es handelt sich hier um den Versuch, mithilfe der Urknalltheorie und ergänzenden Hypothesen das Universum aus sich selbst erklärbar zu machen, indem die ihm innewohnende Energie als gegeben angenommen wird, ohne ihre Herkunft und damit die Möglichkeit einer vom Nichts verschiedenen Existenz jenseits aller Raum-Zeit-Struktur weiter zu ergründen.

Ein solchermaßen eng gefasster Ansatz beruht großenteils auf nicht von der Vernunft bestimmten, ablehnenden Reflexen all jenen Anschauungen gegenüber, die einen wie auch immer gearteten, umfassenderen Ursprung unserer Welt in Betracht ziehen.

Obwohl die geforderte Herkunftlosigkeit im Nichts der menschlichen Ratio nicht einleuchten kann, hat die Kosmologie des 20. Jahrhunderts die Raum-Zeit-Dimensionalität in den Stand der Absolutheit erhoben und sich mit dem Zurückrechnen einer festgestellten Expansionsbewegung des Weltalls in die intellektuelle Gefangenschaft des Urknallmodells begeben. Einseitige Interpretationen wissenschaftlicher Beobachtungen haben dazu geführt, daß der Gedanke des aus dem Nichts gekeimten Universums zur modernen kosmologischen Leitidee geworden ist, die indes in ihrer Schlichtheit an längst überkommene Vorstellungen erinnert, denen zufolge die Erde eine Scheibe war oder von den Gestirnen umkreist wurde.

Der menschliche Verstand neigt dazu, an vermeintlichen Grenzen entlang zu wandern, die sich ihm durch den unmittelbaren Augenschein aufdrängen. Wir können jedoch von uns wahrgenommene Strukturen wie Raum und Zeit - einschließlich ihrer theoretisch möglichen Existenzformen - nicht schon deshalb verabsolutieren, weil mit den Sinnen nicht erfahrbar ist, wozu sie sich insgesamt in Beziehung setzen ließen. Dementsprechend sollten die in erster Linie der eingeschränkten Kognition geschuldeten, bisweilen äußerst bizarren Annahmen über das Entstehen des Universums, wie sie im Rahmen der Standardmodelle und weiterer Theorien vorgetragen worden sind, anderen Erklärungsansätzen zum dimensionalen Werden unserer Welt Platz machen dürfen.

Es gilt, das zeitgebundene Schema von Anfang und Ende gedanklich dort zu belassen, wo es seine Berechtigung hat: im Universum selbst, als Teil dessen dimensionaler Funktionalität. Dieses Prinzip zu überdehnen und auf den Zeitbegriff gestützt die Frage nach dem Beginn der Welt an sich beantworten zu wollen, hat die Wissenschaft an den toten Punkt eines sich jeder Plausibilität entziehenden vermeintlichen Urzustands unseres Universums geführt. Infolgedessen wurden Hypothesen aufgestellt, mit deren Hilfe diese Anfangssingularität theoretisch womöglich umgangen werden könnte - ohne damit allerdings einer grundlegenden Erklärung für die Existenz unserer Welt auch nur ansatzweise näher gekommen zu sein.

Die Ursache des Universums hingegen nicht durch ein Sich-zurück-Begeben in der Zeit zu suchen, sondern die Zeitachse im Ganzen als dessen Anfang zu begreifen, erlaubt es, die Gedanken vollkommen neu auszurichten: Muß nicht das seiner Natur nach relativistische System, in dem wir leben, von einem überlagernden Potential her abgebildet sein?

Es besteht keine Notwendigkeit, die unsere Welt bedingende Virtualität in einem sich selbst gebärenden Knall zu vermuten oder anzunehmen, die Raumzeit sei ewig und existiere von sich aus. In dem Maße, wie sich die Überlegungen von der Ausweglosigkeit und Irrationalität der kosmologischen Standardmodelle emanzipieren, wird das Eigentliche sichtbar: Die physikalische Wirklichkeit steht allein aufgrund ihres Vorhandenseins in einem unentrinnbaren Bezug inhärenter Vereinbarkeit und befindet sich daher nicht in einem Nichts. Das aber bedeutet, daß unsere Welt aus einer anderen Welt verwandter Dinglichkeit heraus gebildet wird, deren dimensionale Erscheinungsform sich unserer direkten Beurteilung entzieht, die jedoch - genau wie unsere Welt - nur relativ sein kann, weil auch sie durch ihre beschaffene Gegenwart allein wiederum auf ihre Hervorbringung verweist.

Die Relativität des auf seinen Ursprung bezogenen Gegenständlichseins führt uns unvermittelt zu der Frage nach dem Absoluten. Doch können wir nicht erwarten, die ihrem Wesenskern nach ursprungslose Absolutheit in Gestalt der gewordenen Strukturen dimensionaler Welten zu entdecken.

Indem Welten auseinander hervorgehen, bleiben sie unlösbar miteinander verbunden - eine nachgeordnete Dimension könnte der ihr übergeordneten ja „nirgendwohin“ entfliehen. Sie wäre lediglich imstande, als das Kondensat der sie hervorbringenden Sphäre in dieser wieder aufzugehen. Einen ganzen Kosmos in dimensionalen Schranken auseinander folgender Welten können wir uns danach als ein multidimensionales Kontinuum vorstellen, in dessen Verlauf die sich bildenden Wirklichkeiten aufgrund der wachsenden dimensionalen Verengung zunehmend „starrer“ und „ärmer“ werden. Am Ausgangspunkt eines solchen Spektrums aber, dort, wo eine äußerst umfassende Dimensionalität dazu imstande wäre, ihre sie relativierende Beschränkung und damit ihre Gegenständlichkeit preiszugeben, wo eine uns unvorstellbar anmutende, nichtdimensionale Diskontinuität die Transzendenz dimensionalen Existierens bewirken würde - dort müßte uns schließlich das Absolute begegnen.




Die jeder Dimensionalität immanente Endlichkeit des Beschaffenseins bestimmt auch den räumlichen und zeitlichen Verlauf unseres Universums: Der wandelbare Raum hat Grenzen, während die an den Raum gebundene, veränderliche Zeit nur verstreichen kann, indem das Geschehen vorgegeben ist. Von übergeordneter Warte aus betrachtet sind die Relativität einer Dimension und ihre Determiniertheit ein und dieselbe Eigenschaft.

Von dort gesehen würde die im Universum erfahrbare Dynamik aus Ursache und Wirkung statisch und festgelegt erscheinen. Unsere nachgeordnete Dimensionalität, von der nächsthöheren her gebildet und überschaubar, könnte insofern keine Rätsel aufgeben. Andersherum sind zahlreiche Phänomene in der Quantenmechanik, wie zum Beispiel die Quantenverschränkung, bei der sich subatomare Teilchen über Lichtjahre messende Entfernungen hinweg ohne Zeitverlust physikalische Informationen übertragen können, nichts anderes als die Indikatoren eines Grenzbereichs auf der Ebene der kleinsten Bestandteile unserer Welt am Übergang der Raum-Zeit-Dimensionalität zur nächsten dimensionalen Sphäre.

Eine innerhalb jener Sphäre vorhandene Dynamik wiederum könnte die dort eingebundenen, für die Abbildung unseres Universums direkt maßgeblichen Strukturen beeinflussen und auf diesem Wege das Weltall gleichsam akausal verändern. Vorhersehbar aber würde unsere Wirklichkeit von der nächsthöheren Dimensionalität aus nur insoweit, als dort auch solche Dynamiken einschätzbar wären, die von noch umfassenderen Realitäten herrührend in jeweils analoger Weise bis in unsere Welt hineinwirken können. Wollte man mithin die tatsächliche Entwicklung der Ereignisse im Universum genau kennen, müßte man die Gesamtheit aller variierenden Impulse überblicken, die durch das multidimensionale Kontinuum hindurch schließlich unsere Welt erreichen.

Es kommt also darauf an, das Universum nicht länger als vereinzeltes System, sondern als Komponente eines größeren Ganzen zu betrachten. Dementsprechend bedarf es der Erweiterung hin zu einer kontinuierlichen Physik, die der Verknüpfung unserer ansonsten durch die Relativitätstheorie gültig beschriebenen Wirklichkeit mit der nächstübergeordneten Dimensionalität Rechnung trägt und darüber hinaus das gesamte multidimensionale Kontinuum als einen prinzipiell bestimmenden Faktor unserer Existenz berücksichtigt.

Wenn wir akzeptieren, daß unser energetisches Universum nicht unabhängig und ohne Herkunft in einem Nichts existieren kann, sondern der gewandelte Teil einer Dimensionalität höherer Ordnung ist, dann werden manche wissenschaftlichen Feststellungen auf dem Gebiet der Astronomie oder der Elementarteilchenphysik, aber auch einige der sogenannten unerklärlichen Phänomene leichter verständlich erscheinen. Statt zu versuchen, offensichtliche Ungereimtheiten durch gewagte Hypothesen mit den vorhandenen Standardmodellen in Übereinstimmung zu bringen oder andere Beobachtungen ganz zu ignorieren, könnte sich die Forschung eine neue Perspektive von großer integrativer Kraft erschließen, mit deren Hilfe auch solche Fragen zu klären sein würden, die im Rahmen bisheriger Annahmen nicht überzeugend beantwortet werden konnten.

Es wäre dann die Aufgabe einer neuen Physik zu ergründen, auf welche Weise die das Universum bestimmenden, quantenphysikalischen Mechanismen mit der übergeordneten Matrix verknüpft sind, aus der unsere Wirklichkeit insgesamt hervorgeht. Am Ende würde deutlich, daß sich hier zwei Schlüssigkeiten widerspruchsfrei miteinander im Einklang befinden: einerseits die raumzeitliche, auf dem Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung beruhende Entwicklung des Universums, und andererseits die „senkrecht“ dazu verlaufende Dimensionalisierung eben dieser Entwicklung aus einer höherdimensionalen Vorlage heraus.

Der Werdegang von Galaxien oder die Evolution des Lebens sind als Abläufe erfahrbar und zugleich von Anfang bis Ende im Ganzen vorhanden. In Wahrheit gibt es keinen Ablauf, sondern eine dimensionale Anlage, die zeitlich-räumlich erlebt werden kann. Tatsächliche Veränderungen hinsichtlich des kausalen Geschehens sowie der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung oder sonstiger Beschaffenheiten des Universums vollziehen sich durch Wandlungen seiner Anlage selbst und können im gegebenen Fall nur von den übergeordneten Welten des multidimensionalen Kontinuums her bewirkt werden. Dieses Prinzip gilt naturgemäß für alle Wirklichkeiten des kosmischen Gefüges.




Ohne Zweifel werden die exakten Wissenschaften den Wunsch nach einer definitiven Erklärung unserer Existenz weit in den Bereich der nächsthöheren dimensionalen Ordnung hinein begleiten können. Warum nicht auch darüber hinaus? Die kognitive Bewältigung des Weges bis an den letzten Grund unseres Seins muß keine Frage des Glaubens bleiben. Vielmehr sollten konstruktive Überlegungen, gestützt auf zukünftige Fortschritte in der Physik und Mathematik, zu endgültigen Gewißheiten führen.

Beiden Disziplinen ist der Umgang mit deutlich mehr als den von uns beobachtbaren vier Raum-Zeit-Dimensionen durchaus vertraut. Allerdings werden zusätzliche Dimensionen nicht als Strukturen anderer Realitäten verstanden, sondern als inzwischen „eingerollte“ Nebendimensionen von Raum und Zeit unbesehen unserer Wirklichkeit zugeschlagen. Das impliziert eine Verabsolutierung auch dieser Dimensionen, die einmal mehr als etwas unabhängig aus sich selbst heraus Vorhandenes aufgefaßt werden.

Höhere Dimensionen einschließende Modelle sollten aber zu der genau entgegengesetzten Betrachtungsweise einladen, nämlich zu einer Relativierung der Raumzeit wie auch aller weiteren Dimensionen, existent als Bestandteile eines multidimensionalen Kontinuums auseinander hervorgehender Wirklichkeiten.

Das so skizzierte kosmische Gefüge von Dimensionalitäten muß als ein beschaffenes Ganzes relativ zu etwas anderem sein, aus dem heraus es seinen Anfang nimmt. Das Kontinuum kann daher, ebenso wie jede seiner Wirklichkeiten, nicht unendlich sein, denn auch sein Ursprung verbleibt jenseits seiner relativen Gegenwart. Jeder Anfang des Kontinuums, der seinerseits beschaffen und relativ zu etwas anderem wäre, würde nur eine weitere Kontinuierlichkeit und damit nicht den eigentlichen Ursprung des Kontinuums darstellen können.

Das Entstehen von Dimensionalität ist gleichbedeutend mit einer Beschränkung, einer Subjektivierung. Grundsätzlich würde eine objektivere Betrachtung der entstandenen Welt erst von der sie hervorbringenden Dimensionalität aus möglich, und je übergeordneter, also umfassender und damit wissender ein angenommener Standpunkt im multidimensionalen Kontinuum in Bezug auf eine Wirklichkeit sein könnte, desto bestimmter und tatsächlicher müßte diese Wirklichkeit von dort aus erscheinen.

Das Kontinuum auseinander hervorgehender Realitäten ist also ein ...

Raimond Brandt Raimond Brandt verstarb am 20. März 2014 in Bremen, Deutschland.

Der Text wurde von seiner Ehefrau so veröffentlicht, wie sie ihn vorfand.
 
Raimond Brandt
1961 - 2014
   


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